MS Reichtum - A Newspaper About Wealth

Artdirection and Design for Deutsches Hygiene-Museum Dresden. Special Tag: Making Ideas Tangible

MS Reichtum, cover shot


Together with Daniel Tyradellis and his curatorial team the Laboratory developed a proper imitation of a ship's newspaper (Bordzeitung) which supposed to be handed to its passengers. In this cases the newspaper got handed to the visitors of the exhibition "REICHTUM - mehr als genug" ("WEALTH - more than enough") at Deutsches Hygiene-Museum Dresden. While the design immitates (and slightly overdraws) contemporary picture aesthetics and visual grammar of luxury living, several texts offer a critical, deep layered description of wealth (and its social entaglements) nowadays.

The newspaper develops a quite satirical discussion on wealth

"The divide separating rich and poor is widening, and the worlds the rich and the poor each inhabit seem to have less and less in common. And yet the yearning for a life of financial plenty remains one of the mainsprings driving our actions. And that is true of both our personal lives and society as a whole. Indeed, the ancient dream of luxury, prosperity and a carefree existence is far from over.
Our special exhibition features a deadly serious satire on wealth as a fact and phantasm of our imaginations. Wealth is the subject of envy, hopes and serious conflicts. It is a driver of personal ambition and social commitment - and the expression of glaring injustices.
During your short stay on board the MS Wealth you will have the opportunity to find out which aspects of wealth are connected and what problems need to be resolved if social cohesion is to be maintained. Welcome aboard!" Press Release Deutsches-Hygiene Museum Dresden

Pictures of the opening at DHMD

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Willkommen an Bord

Reichtum heißt, keine Grenzen mehr zu kennen. Oder nur noch die, die man sich sucht. Wer das verstanden hat, der findet an Bord unseres Schiffes die perfekte Kulisse

Vom Beginn der europäischen Literatur an ist das Schiff eine Metapher für die Gesellschaft gewesen. Schon in dem Gedicht „Das Staatsschiff in Seenot“ von Alkaios aus Mytilene um 600 v.Chr. ist davon die Rede. Und das mit mit guten Grund: Das Schiff versammelt in nuce alle Fragen, die man an eine Gesellschaft im Ganzen stellt. Wer gehört an Bord, wer nicht? Wer steuert das Schiff – und wohin? Was treibt das Schiff an, und wie ist das Zusammenleben an Bord organisiert? Zugleich ist das Schiff das, was der Philosoph Michel Foucault eine Heterotopie genannt hat: ein realer Ort in unserer Gesellschaft, der anders funktioniert als andre Orte. Heterotopien sind das, was es dem Wortsinn nach nicht geben kann: utopische Orte. An ihnen wird etwas wirklich, was die alltägliche Ordnung hinter sich lässt und so eine ganz eigene Realität produziert. An diesen unwahrscheinlichen Orten spitzt sich etwas zu, was in dieser Klarheit sonst nirgends zu finden ist. Anders formuliert: Das Schiff ist eine Karikatur, die die Dinge bis zur Klarheit entstellt. Dies gilt insbesondere für das Luxuskreuzfahrtschiff, in dem schon am Namen erkennbar wird, was hier in verdichteter Form zueinander findet: Überfluss, Exklusivität und Sorglosigkeit. Alle drei sind Motive, die in unserem Leben eine nicht geringe Rolle spielen. Sie sind so selbstverständlich, dass man kaum darüber nachdenkt, und wenn von Gesellschaft und ihren Problemen die Rede ist, dann geht es fast immer nur um die Armen. Von den Sorgen der Reichen ist viel zu wenig die Rede. Nicht ohne Stolz haben wir unser Schiff deshalb auf den Namen MS Reichtum getauft. Denn wer wollte dies nicht – reich sein? Hand aufs Herz: Genug ist niemals genug, wir wollen auch genießen und im Überfluss schwelgen. Genau das verspricht der Aufenthalt an Bord der MS Reichtum. Hier wird Ihnen jeder Wunsch von den Lippen abgelesen, noch bevor Sie ihn ausgesprochen, ja vielleicht noch bevor Sie ihn auch nur gedacht haben. Sie können an Bord nach Herzenslust shoppen, inmitten der schönsten und einflussreichsten Menschen speisen, beim traditionellen Shuffleboard-Spiel ihr Geschick mit anderen messen – oder auch einfach nur auf dem Sonnendeck am Pool die Seele baumeln lassen. Sie haben es sich verdient!
[...]
Ist es nicht das, wovon Sie ein Leben lang geträumt haben? So viel Geld zu besitzen, so reich zu sein, dass sich alles nur noch um Sie dreht – wenn Sie es wollen. Denn wir alle wissen, dass Zeit in unserer schnelllebigen und hektischen Gegenwart das teuerste Gut ist, und Momente des Rückzugs für viele von uns seltene Augenblicke des Genießens sind. Während Sie sich in der Welt außerhalb der MS Reichtum ständig mit Menschen und Problemen beschäftigen müssen, die Sie sich nicht aussuchen können, ist es hier an Bord anders. Alle Mitpassagiere haben nur diesen einen Wunsch: unter sich zu sein und die unvermeidlichen Kränkungen des Alltags einmal ganz vergessen zu können. Wie schön wäre es, wenn das immer möglich wäre. Auch unsere Besatzungsmitglieder sind von diesem Wunsch beseelt und tun alles dafür, dass Sie sich an Bord mehr als wohl fühlen. Wir alle heißen Sie herzlich willkommen und freuen uns auf unvergessliche Tage auf der MS Reichtum. In alter Schiffermanier rufen wir Ihnen zu: Navigare necesse est, vivere non est! Anker hoch und hinein ins Vergnügen!

Text: Daniel Tyradellis

Martin Wuttke for "REICHTUM - mehr als genug"