Share – Mediatechnology and it's cultural Education
Bookdesign for HeK Basel. With: Simon Schindele. Tags: Institution, Education
Vom kollaborativen Internet zur Relevanz von Institutionen
Extract of the talk between Shusha Niederberger (HeK Basel) (SN) and Nina Simon (NS), page 87-90
SN: In der Schweiz werden die meisten Institutionen mit
öffentlichen Geldern finanziert und sollen daher ein breites Publikum ansprechen. Ich verstehe Sie so, dass der Begriff ‹Community› eine spezifische Gruppe von Personen beschreibt und damit genau das Gegenteil von einer breiten
Öffentlichkeit ist. Warum ist es wichtig, sich auf spezielle
Communitys zu konzentrieren?
NS: Ich finde es toll, wenn ein Museum eine breite Öffentlichkeit
anspricht. Aber man spricht eine breite Öffentlichkeit
nicht als Ganzes an. Man beginnt damit, spezielle
Communitys innerhalb der Vielfalt einer Gesellschaft vor
Ort auszumachen und die Mitglieder einzeln zu begrüssen.
Eine ‹Community› ist eine Gruppe von Menschen, die etwas gemeinsam haben. Solche Gemeinschaften können
über einen geteilten öffentlichen Raum verbunden sein, über
gemeinsame Identität (z. B. demografisch), gemeinsame
Vorlieben oder gemeinsame Zugehörigkeiten. Die Community
der Biertrinker_innen kann genauso stark sein wie
die der Hundebesitzer_innen oder die Community der neu zugezogenen Migrant_innen. Ich denke, dass es für Museen wichtig ist, drei Dinge
zu beachten, wenn sie die breite Öffentlichkeit ansprechen
wollen. Erstens: wen man bereits anspricht. Zweitens: herauszufinden,
wer die Menschen sind, die man nicht anspricht, und zu welchen Communitys sie gehören. Und drittens: Wie kommt man an diese Communitys heran, wie
kann man sie auf bedeutsame und legitime Weise einladen?
Wenn man dies mit genügend spezifischen Communitys
tut, erreicht man schliesslich das Ziel, eine breite Öffentlichkeit
anzusprechen.
SN: Können Sie das noch ein wenig ausführen? Die meisten
Institutionen kennen ihre Besucher_innen recht gut, aber
diejenigen, die man nicht anspricht, sind schwer auszumachen. Ich glaube, dass Institutionen und ihre möglichen Besucher_
innen bereits eine kleine Community bilden, genau
aus den Gründen, die Sie nennen: gemeinsame Identität,
Vorlieben und Zugehörigkeit. Wie kann man sich also mit
denen in Verbindung setzen, die nicht bereits involviert
sind? Ich glaube, der Schlüsselbegriff ist hier ‹bedeutsame
und legitime Weise› – was ist das genau?
NS: Zu allererst muss man benennen, um wen es geht,
also welche Communitys bisher nicht beteiligt sind, die
man aber gerne dabeihätte. Vielleicht sind es Menschen
eines bestimmten Alters, Menschen aus einer bestimmten
Nachbarschaft, oder auch Menschen mit einem bestimmen
Migrationshintergrund. Je genauer man die Community
benennen kann, die für einen von Interesse ist, desto besser.
Als nächsten Schritt muss man neugierig auf die Community
von Interesse sein. Da sie bisher nicht eingebunden
ist, muss man sich in ihren Kontext, in ihre eigene kulturelle
Sphäre begeben. Man kann ihre Strassenfeste, Skateparks
oder Moscheen besuchen. Man muss sie und ihre Interessen,
Wünsche, Bedürfnisse und Träume kennenlernen. Die
besten Ideen für eine Einbindung entwickelt man, wenn sie
in den Werten und Bedürfnissen der jeweiligen Community
wurzeln, nicht in den eigenen. Dies ist der zentrale Punkt
meines 2016 erschienenen Buches ‹Die Kunst der Relevanz›.
NS: Das ist eine sehr gute Frage. Ich glaube, dass die Tage des breiten Aufbruchs des Web 2.0 grösstenteils vorüber sind und es von effizienten manipulativen Plattformen ersetzt wurde, die mehr aus den Menschen herauspressen, als sie ihnen bieten. Heute finde ich die grösste Anregung in der Arbeit von Menschen, die in ihrer Gemeinschaft als Aktivist_innen oder Organisator_innen aktiv sind. Ich lerne sehr viel von Menschen, die sich in grossen Netzwerken für den sozialen Wandel auf der ganzen Welt einsetzen, und genauso viel von Menschen, die sich in kleinen Communitys voller Empathie und Authentizität engagieren. Ich liebe es, dazuzulernen, und ich glaube, heute lernt man die interessantesten Dinge von den Menschen, die gemeinsam für einen Wandel eintreten.
SN: Die Arbeit von Aktivist_innen ist grösstenteils auf sozialen Wandel und politische Aktion ausgerichtet. Was bedeutet Wandel in einem institutionellen Kontext?
NS: Ich wünsche mir, dass die Institutionen sich wandeln und offener, relevanter und pluralistischer werden. Ich beschäftige mich sehr mit Abraham Lincolns berühmtem Zitat, dass eine Regierung des Volkes durch das Volk und für das Volk handeln sollte. Ich wünsche mir, dass kulturelle Institutionen sich ändern, um ALS, DURCH und FÜR die Communitys zu handeln – und dass alle unsere